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21.1.2007

Leserinnenbrief an die Rhein-Neckar-Zeitung

Zum Artikel vom 19.1.07 "Gentechnik hat auf Walldorfer Gemarkung nichts zu suchen"

Politik "im Namen des Volkes"?

Schnelle Hilfe nur von entsprechenden Gesetzen

So wie in Walldorf in den Jahren 1998 und 2000 und erneut im letzten Jahr geschehen, wird seit Jahren auch in vielen anderen Städten still und heimlich gentechnisch veränderter Mais angebaut. In Walldorf geschah dies „innerhalb eines Getreidefeldes unter Betreuung durch die Uni Aachen“. Jetzt kam alles ans Licht und die Empörung ist groß. Denn kaum jemand will Gentechnik auf unseren Feldern. Große Konzerne stülpen uns diese Technik einfach über.

Am 11.1.2007 wurden in Zehdenick (Brandenburg) 8 von etwa 80 gentechnikkritischen Menschen, die im Juli 2006 ein Feld mit gentechnisch verändertem Mais gestürmt und erheblich zerstört hatten, "im Namen des Volkes" zu Geldstrafen bis zu 10 Tagessätzen verurteilt. Dies war bundesweit ein einmaliger Prozess, der mit großem Medien- und Polizeieinsatz vor sich ging.

Wo, so frage ich mich, bleiben in den Fällen von Ladenburg und Walldorf die von Gerichten ausgesprochenen Verurteilungen der Menschen und Institutionen, die in Walldorf und Ladenburg - ohne Information und Genehmigung der entsprechenden Behörden - Versuche auf Landwirtschaftsflächen durchgeführt und dadurch unsere Gesundheit und die Zukunft der konventionellen Landwirtschaft einfach aufs Spiel gesetzt haben?

Anders als bei der Züchtung werden im Gentechnik-Labor Artgrenzen ignoriert. Gene aus Bakterien und Viren werden in Pflanzen hineinmanipuliert, um diese unempfindlich gegen Insektenfraß oder Spritzmittel zu machen. In genmanipulierten Lebensmitteln können neue Giftstoffe entstehen oder Eiweiße, die Allergien auslösen. Einmal in die Umwelt gesetzt, sind Gen-Pflanzen nicht mehr rückholbar. Sie breiten sich durch Pollenflug oder Insekten unkontrolliert aus. Aus all diesen Gründen ist auch keine Versicherung bereit, das Gentech-Risiko zu versichern.

Wenn 80 % der Bevölkerung gentechnisch veränderte Futter- und Nahrungsmittel ablehnen, bei deutlicher Kennzeichnung nicht kaufen würden, dürfte das Gericht im vorgenannten Feldbefreiungs-Prozess eigentlich nicht im "Namen des Volkes" urteilen. Der Richter gab ehrlicherweise selbst zu, dass er Gentechnik nie verteidigen würde. Er habe bei diesen Anklagen lediglich die Rechtsordnung eingehalten: Das Gesetz verbietet die Zerstörung fremden Eigentums. Er riet den Gegner die Möglichkeiten des Rechtsstaates zu nutzen: Flugblätter zu verteilen, die Bevölkerung aufzuklären oder gegen den Anbau von Gen-Pflanzen zu klagen.

Wie langjährig solche Klagen sind, kennen wir von den Asbest- und Holzschutzmittel-Prozessen: Jahrzehnte! Gefragt ist hier die verantwortliche Politik in Kommune, Land, Bund und in der EU. Die Europäische Kommission hat trotz ernsthafter Bedenken in Bezug auf die Gesundheits- und Umweltauswirkungen und auch in dem Wissen, dass einige Aspekte überhaupt noch nicht untersucht worden sind, gentechnisch veränderte Nahrungsmittel genehmigt.

Nach Walldorf sollte deshalb auch die Stadt Wiesloch und viele Bürgerinnen und Bürger dem Bündnis „Bürger(innen) für eine gentechnik-freie Landwirtschaft in der Kurpfalz“ beitreten. Nähere Infos unter www.BuerGenLand.de und Bürger für eine gentechnikfreie Landwirtschaft in der Kurpfalz.

Karin Becker, Gemeinderätin der Frauenliste